Die Entstehung der Gethsemanekirche

Wenn Sie von Großreuth oder Gaismannshof aus durch den Westpark Richtung St. Leonhard gehen, passieren Sie an der Fußgängerbrücke über die Von-der-Tann-Straße zur rechten Seite die Gethsemanekirche. "Eine Kirche?" werden Sie vielleicht fragen, denn es sind weder Turm noch Glocken noch ein typisches Kirchengebäude zu sehen. Der Gebäudekomplex, der aus Gottesdienst- und Gemeinderäumen, Kindergarten, Kinderkrippe und Pfarrhaus besteht, hat eine eigentümliche Geschichte. 

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Es waren die 60er Jahre, als die Stadt Nürnberg die Absicht verfolgte, das Gebiet des heutigen Westparks mit Hochhäusern, wie in Langwasser,  zu bebauen. Eine Kleinstadt hätte in diesem Bereich entstehen sollen. Die im Volksmund sogenannte "Känguru-Siedlung" jenseits der Von-der-Tann-Straße machte den Anfang. Die evangelische Kirche sah damals die Zeichen der Zeit und erwarb ein Grundstück im Zentrum des geplanten Bebauungsgebietes mit dem Ziel, hier eine neue Kirchengemeinde zu etablieren. Sie sollte neben dem zu erwartenden Neubaugebiet aus Teilen der anliegenden Gemeinden St. Leonhard, Thomaskirche / Großreuth und Erlöserkirche / Leyh entstehen.  In Erinnerung an den Garten Gethsemane (Jerusalem), den Jesus am Tag vor seiner Kreuzigung mit seinen Jüngern aufgesucht hatte, und angesichts der verschiedenen Kleingartenkolonien im Umfeld, hätte die "Gethsemanekirche" entstehen sollen. 

1968 rückten schließlich die Bagger an und es wurde zunächst die Doppelhaushälften für das Pfarrhaus, Steinmetzstraße 4 und in der anderen Hälfte eine Wohnung für Hausmeister und Diakon, Steinmetzstraße 2, gebaut. Sodann folgte der Bau eines zweigruppigen Kindergartens, der auch von der benachbarten Firma Siemens mitfinanziert wurde und eines Gemeindesaals für Feierlichkeiten und kirchlichen Unterricht. 1974 erst wurden diese Gebäude eingeweiht. Der Plan für eine große achteckige Kirche war bereits gezeichnet, als der Bebauungsplan der Stadt Nürnberg geändert wurde. Statt Hochhäusern sollte es nun den Westpark geben. Zu diesem Zeitpunkt wurden bereits seit Jahren in der Hausmeisterwohnung wöchentlich Gottesdienste gehalten, der kirchliche Unterricht hatte begonnen und der erste Pfarrer an dieser Stelle Hansjörg Blomeyer baute mit viel Energie und Begeisterung ein vielfältiges Gemeindeleben auf. Die Gemeindemitglieder, insbesondere viele kinderreiche Familien, wohnten jedoch alle jenseits der Von-der-Tann-Straße im Bereich der Kirchengemeinde St. Leonhard, sodass die bald gebaute Fußgängerbrücke fast wie eine Lebensader erschien. Die kirchlichen Neubauten erhielten schließlich den Namen "Gemeindezentrum St. Leonhard-Sündersbühl" und die Stempel mit der Prägung "Gethsemanekirche" blieben im Schubfach.  Der wöchentlich als Gottesdienstraum genutzte Saal stand in gewissem Sinne außerhalb des Gemeindegebiets. 

Pläne einer kleineren Lösung, bei der zumindest das Gebiet der "Gagfa-Siedlung" rund um das ehemalige US-Hospital in direkter Nachbarschaft zur Steinmetzstraße "umgemeindet" hätte werden können, fanden keine Zustimmung bei den Verantwortlichen der Kirchengemeinde Großreuth. Dennoch entwickelte sich ein selbstbewusstes eigenständiges Gemeindeleben in "Sündersbühl", das von viel ehrenamtlichem Engagement, familiärem Zusammenhalt und Aufbruchsstimmung geprägt wurde. Freilich erwies sich die Situation als unglücklich, ein Zentrum außerhalb der Gemeinde betreiben zu müssen. Als es keine Aussicht mehr auf eine Veränderung dieser Situation gab, verließ Pfarrer Blomeyer die Stelle. In der anschließenden längeren Zeit ohne eigenen Pfarrer wurden weite Bereiche des Gemeindelebens ehrenamtlich getragen. Es gab einen Chor, vielfältige Jugendarbeit, Kindergottesdienst, eine Theatergruppe, Feiern im Jahresablauf in den Räumen des Gemeindezentrums wie auch auf der "Kirchenwiese" nebenan.

Der Nachfolger von Pfarrer Blomeyer, Johannes Scholl (1984-1994), konnte an diese Aktivitäten anknüpfen, aber es war nun klar, dass dieser Bereich ein Teil der Kirchengemeinde St. Leonhard bleiben würde. Im Unterschied zur alten Kirche in St. Leonhard sammelte sich hier vor allem eine junge Gemeinde mit eigener Identität und Selbstbewusstsein. Der Gottesdienstraum wurde neu gestaltet und ein Altarbehang bei der Künstlerin Edith Gsänger in Auftrag gegeben, dem auch das heutige Logo der Gethsemanekirche entstammt. Allerdings nahm die Zahl der Gemeindemitglieder kontinuierlich ab, da nun viele der Kinder, die in den Jahren nach 1964 das Stadtviertel geprägt hatten, als junge Erwachsene die elterlichen Wohnungen verließen. 

Der dritte Pfarrer an der Gethsemanekirche, Dr. Gunnar Sinn, musste sich auf diese Situation einstellen. Freilich blieb das Gemeindezentrum noch das Zentrum der Jugendarbeit in der Kirchengemeinde St. Leonhard.  Demgegenüber boten aber die Räumlichkeiten neue Chancen. Der nicht als Sakralraum festgelegte Saal bot die Möglichkeit für kulturelle Akzente, geistliche Konzerte, alternative Gottesdienstformen oder meditative Veranstaltungen. Zudem ließen sich in Kooperation mit dem benachbarten Kindergarten mehrfach jährlich gut besuchte Familiengottesdienste etablieren. Weit über 100 Gottesdienste für Kinder und Erwachsene wurden in den letzten 15 Jahren gefeiert. Die alte neugotische Kirche in St. Leonhard und das moderne Zentrum im Westpark werden nun zusehends als Chance und Bereicherung empfunden.

Im Jahr 2005 fusionierte die Kirchengemeinde St. Leonhard mit der Kreuzkirche Schweinau zu einer einzigen Kirchengemeinde. Nun gibt es in der neuen Gemeinde drei Orte, an denen wöchentlich Gottesdienst gefeiert wird und Gemeindeleben existiert. Dies nahm der Kirchenvorstand zum Anlass, dem Gemeindezentrum St. Leonhard-Sündersbühl den ursprünglichen Namen "Gethsemanekirche" zu verleihen. Der Festakt wurde von dem damaligen Dekan Dr. Rainer Oechseln vorgenommen. Gastredner war der spätere bayerische Ministerpräsident Dr. Markus Söder, der - wie er sich erinnerte - Teile seiner Jugend an der "Blomeyerkirche" verbrachte und hier wichtige Impulse erhielt. 

In den letzten Jahren wurde die Kindertagesstätte grundsaniert, im Jahr 2010 die "Kirchenwiese" mit der zweigruppigen Kinderkrippe "Pusteblume" und drei Wohnungen bebaut. Ein Teil dieser Wiese ist für Gemeindeveranstaltungen erhalten geblieben und das Fundament für einen Glockenturm besteht bereits. Vielleicht wird man doch in nicht ferner Zeit die Glocken der Gethsemanekirche durch den Westpark klingen hören.

Dr. Gunnar Sinn

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Im Gebäudekomplex der Gethsemanekirche in der Steinmetzstraße 2-4
befinden sich folgende Einrichtungen:
Kindertagestätte Gethsemane
Kinderkrippe Pusteblume
Büro der Evangelischen Jugend St. Leonhard-Schweinau
3. Pfarrstelle St. Leonhard-Schweinau